Benedikt Haag neuer Leiter des Amadeuschores
von Uwe Ungerer

Man könnte fast meinen, der Kreis schließt sich. Der von Karl-Friedrich Beringer 1970 in Neuendettelsau gegründete Amadeuschor hat nach zwei Stabwechseln (Julian Tölle 1993 - 2001 und Nicol Matt 2001 - 2013) einen neuen Chef zum künstlerischen Leiter mit großer Mehrheit gewählt: Benedikt Haag.

Haag konnte sich gegen vier Kandidaten, die sich nach einer Auswahl aus knapp 60 Bewerbungen im Rahmen von Probedirigaten präsentierten, durchsetzen und wurde in geheimer Wahl von den aktiven Sängern des Chores als neuer Dirigent bestimmt.

Dabei ist vor allem bemerkenswert, dass Benedikt Haag als Ex-Windsbacher (1997 - 2006) scheinbar einen Kreis schließt, der mit Karl-Friedrich Beringer seinen furiosen Start nahm. Auch die Tatsache, dass überhaupt ein Ex-Windsbacher für den Amadeuschor in Frage kam und die Hürde des Probedirigats überwinden konnte, ist bemerkenswert.

Blicken wir kurz zurück: Nach Karl-Friedrich Beringer hatten sich die Amadeuschorler - so sehr sie auch ihrem Chef nachtrauerten - nach etwas anderem, Neuem gesehnt. Man wollte keinen zweiten Beringer, bzw. eine Kopie vor sich haben. Der Chor spürte intuitiv, dass es wichtig war, nun eine neue Richtung einzuschlagen. Mit Julian Tölle gelang dies, wenn auch die Geburtswehen ziemlich schwierig waren. Aus heutiger Sicht kaum zu verstehende Missstimmungen im Chor führten zwar zu einem schmerzhaften Aderlass, der jedoch die (erste) Rundumerneuerung des Amadeuschores letztlich erst ermöglichte. Tölle schaffte es in einigen Jahren, den "energetisch-expressiven, strahlend facettenreichen" Konzertchor zum Kammerchor zu formen, der auf "lautere Schönheit ausgerichtet ist, auf Schattierungen des Leisen, auf einen in sich ruhenden, weich-schillernden Chorklang, auf demutsvolle Andacht und Meditation". Julian Tölle baute sozusagen "das Fundament, auf dem derzeit die Interpretationen gründen" (Zitate aus der Festschrift zum 40jährigen Chorjubiläum).

Mit Nicol Matt trat 2001 ein bereits etablierter und gefragter Chordirigent auf den Plan, der dem Chor völlig neue Dimensionen eröffnete. Seine Erfahrungen im Profichorbereich, sowie mit unzähligen CD-Aufnahmen für Bayer Records und vor allem mit Brilliant Classics, überzeugten die Chormitglieder (wenn auch nur ganz knapp), hier einen professionell arbeitenden Chorleiter gewinnen zu können, der wie kaum ein anderer in der Lage dazu wäre, dem Amadeuschor neue Türen zu öffnen.

In vielerlei Hinsicht tat er das auch. Fünf CD-Aufnahmen innerhalb von neun Jahren, von denen immerhin zwei mit internationalen Preisen bedacht wurden (Amerikanische Chormusik & Unto Us a Child is Born-Weihnachtliche Chormusik, beide erschienen bei Ars Produktion), ließen so manchem Chorsänger angesichts der Projekt orientierten Geschwindigkeit, mit der Nicol Matt trotz so noch nicht gekannter Probeneffizienz (weniger ist manchmal mehr!) den Chor konfrontierte, den Atem stocken. Auch der wie selbstverständlich wirkende Einsatz eines Chorleitungsassistenten (wofür ich mich gerne bereit erklärt hatte), der ganze Probenwochenenden und Konzertauftritte übernimmt, waren neu und mussten vom Chor akzeptiert werden. Bei Nicol Matts Vorgängern wäre das unvorstellbar gewesen. Oftmalige kurzfristige Terminverschiebungen und Absagen aufgrund von Nicol Matts reger musikalischer Tätigkeit beinahe rund um den Globus offenbarten dann die Schattenseiten, die dem Chor einiges an Geduld und Verständnis abverlangten. Neben den CD-Produktionen bereitete Nicol Matt den Chor akribisch auf zwei Auftritte in der Meistersingerhalle in Nürnberg anlässlich des Mozart-Jahres vor. Dazu kamen Konzerte a capella von Stuttgart bis Hof, von Schwäbisch Hall bis Erlangen und von Ansbach bis Bad Wörishofen. 2005 nahm der Amadeuschor beim Bayerischen Chorwettbewerb teil. Das letzte gemeinsame Projekt, das Kino-Chor-Event über den amerikanischen Komponisen Morten Laurdisen, wurde zum Ende der Ära Matt noch ein weiteres, wenn auch leises und besinnliches Highlight.

Anscheinend war der Chor nun endgültig weit weg genug von Windsbach und den Erfahrungen mit Karl-Friedrich Beringer, dass die Zeit endlich reif war (und wohl auch die Chorsänger gereift waren), um einem Ex-Windsbacher die Chance zu geben, mit einem außergewöhnlichen Ensemble zusammen arbeiten zu können, ohne dauernd das Bild des "Fränkischen Derwisch" im Hinterkopf haben zu müssen. Natürlich gibt es im Amadeuschor kaum noch noch Beringer-Jünger, geschweige denn Sänger, die den Chorgründer überhaupt noch kennen. Aber mit solchen Bedenken muss sich Benedikt Haag auch gar nicht auseinandersetzen, denn er präsentierte sich dem Chor als versierter, kompetenter Chorleiter mit freundlicher Ausstrahlung, der genau weiß, worauf er achten muss. Nicht die geringste Windsbach-Attitüde ist zu erkennen. Und so hat es Benedikt Haag auch gar nicht nötig, mit seiner Windsbacher Vergangenheit zu prahlen, er legt wert auf das, was er seit dem Weggang aus Windsbach gelernt hat und womit er sich seither profilieren konnte und das ist wirklich beachtlich!

Der Chor selbst hat Benedikt Haag mit überragender Mehrheit gewählt, was auch darauf hindeutet, dass die Sänger intuitiv gespürt haben, dass eine Rundum-Erneuerung und -Verjüngung wichtig geworden war. Nicht so weiter machen wie bisher, lautet daher die Devise, sondern einen Neuanfang wagen, womöglich auch musikalisch und inhaltlich. So wird sich der Amadeuschor mit dem neuen Leiter wieder neu erfinden und für alle mit Sicherheit überraschende Wege gehen. Nichts ist schließlich so langweilig, wie ein Chor, der trotz Mitgliederfluktuation und Generationenwechsel immer das Gleiche macht. Und so schließt sich der Kreis mit Beringer: Benedikt Haag beginnt mit einem für ihn neuen Chor, der Chor vertraut auf einen neuen Leiter. Also, alles ist neu! Von daher schließt sich der Kreis, denn der Amadeuschor fängt wieder von vorne an! (Ich persönlich wünsche Benni zu diesem Neuanfang alles Gute!)

Uwe Ungerer